Dreifußtopf und Sonntagskleid - Leseprobe

Sonntagskleid und Dreifußtopf – Leseprobe

Unser Schicksal tragen heißt, es besiegen.
Edward George Bulwer-Lytton

 

Das ist eine Leseprobe zum biografischen Zeitgeschichte-Roman
»Dreifußtopf und Sonntagskleid« von Edith Mair:
ISBN 978-3-8192-3094-3
Books on Demand, 2025
Hardcover, 140 Seiten

© Edith Mair

 

Inhalt des Buches

 

Vorwort        9
Die Stiege zu den Ställen     13
Haselnussstock und Birkenrute      19
Sonntagsschuhe        25
Der Rabe im Topf    35
Zwei Körbe voll Brennnesseln       45
Die Lana Bauern      55
Feuerröte über dem Klausenberg   65
Durch den Krieg      81
Bad Ischl       101
Ribiselstauden im Garten    113
Zeittafel        125
Cousine Emma        127
Danksagung   133
Bildquellen    135

Kapitel-Auszüge in der Leseprobe

Vorwort
Die Stiege zu den Ställen
Haselnussstock und Birkenrute
Sonntagsschuhe
Der Rabe im Topf
Die Lana Bauern
Feuerröte über dem Klausenberg

Vorwort

Frieda Scheichl-Mair
vulgo »Lana Frieda«
Dennoch hat sich mein Leben gelohnt.
Ein Rückblick auf 72 Lebensjahre.

Bad Ischl, Februar 1988

Den größten Verlust erlebte ich wohl im Alter von zweieinhalb Jahren.

So beginnt die Lebensgeschichte meiner Großmutter. Sie ist 1990 verstorben und hat zwei Jahre zuvor ihre Biografie mit der Hand aufgeschrieben, hat sie kopieren lassen und jedem ihrer Lieben ein Exemplar geschenkt.
Vieles kannten wir bereits, hat sie uns Enkelkindern doch immer wieder aus ihrem Leben erzählt. Manches war für uns neu. Ich habe Großmutter versprochen, ihre Lebensgeschichte zu veröffentlichen. So ist – viel zu spät, sie hat es längst nicht mehr erlebt – 2015 der Roman »Die Lana Frieda« entstanden, in den ich Großmutters Biografie eingebunden habe.
Das Buch »Dreifußtopf und Sonntagskleid« ist ihre Lebensgeschichte ohne fiktive Rahmenhandlung, wobei ich die Worte und umgangssprachlichen Formulierungen meiner Großmutter weitgehend belassen habe.

Die Stiege zu den Ställen

Den größten Verlust erlebte ich wohl im Alter von zweieinhalb Jahren.
Am 14.4.1916 wurde ich in Lienz in Osttirol geboren und war wohlbehütet von meiner lieben Mutter und meinen drei Geschwistern: zwei Brüder, Hans und Karl, und Schwester Josefa. Der Vater meiner Geschwister war schon einige Jahre tot. Meine Mutter lernte wieder einen Mann kennen und so kam ich dann als außereheliches Kind zur Welt.
Mein Vater musste in den Krieg, noch bevor sie heiraten konnten. So musste sich meine Mutter mit vier Kindern allein fortbringen. Sie war tüchtig und fleißig und es fehlte uns an nichts. Diese für uns schönste Zeit sollte aber nicht allzu lange dauern. Im Jahre 1918, im Herbst, verloren wir unsere Mutter durch eine böse Grippe. Da die Mutter die Witwe eines Gerichtsoffizianten war, wurde vom Gericht eine Pflegefrau für uns Kinder bestellt. Allerdings nur für kurze Zeit, dann wurden wir getrennt. Meine Geschwister kamen in das Mölltal zu je einem Bauern. Ich hatte das Glück, zu meiner Tante Anna zu kommen. Ich hatte im wahrsten Sinn wieder eine Mutter.
Tante Anna war Schneiderin und wohnte in Dölsach. Es war das ein langes Gebäude, ein Wohnhaus mit angeschlossenem Stallgebäude. Im ersten Stock war ein langer Balkon, und am Ende war eine Stiege hinunter zu den Ställen.
Die oberste Stufe war mein Lieblingsplatz. Von da konnte ich den Hühnern und Gänsen zusehen. Öfter bekam ich von meiner Tante auch Futter, um es den Hühnern hinunterzuwerfen.

Meine Tante wurde von ihrer verheirateten Tochter gebeten, zu ihr zu kommen. Sie war Großbäuerin in Nikolsdorf und hatte einige Dienstboten und auch etliche Kinder. Da gab es viel zum Nähen und Flicken.

Da die Tante keinen Lohn hatte, war ausgemacht, dass sie jeden Sommer drei Monate auf Saison gehen kann, um etwas zu verdienen. Mich hätte sie nie allein dagelassen, und so hat sie mich mitgenommen und in ihrer Nähe einen Kostplatz gesucht.

Haselnussstock und Birkenrute

Das erste Mal kam ich zur Familie Kahner. Da war ein gleichaltriges Mädchen mit Namen Lindi. Ihre Eltern waren sehr hart zu mir.
Ich war zu dieser Zeit ein halber Bub. Kein Zaun und kein Baum waren mir zu hoch. So kam es halt manchmal vor, dass ich wo hängen blieb und ein Loch im Kleid oder in den Strümpfen hatte. Zur Strafe musste ich mich auf ein kantiges Holzscheit knien und die Arme nach der Seite ausstrecken. Herr Kahner stand mit einem Haselnussstock hinter mir.
Lange konnte ich die Arme nicht gerade halten, dann sanken sie langsam nach unten. In diesem Moment schlug er mir auf beide Hände

Sonntagsschuhe

Ich kam wieder zurück nach Dölsach zu einem Bauern.

So vergingen die Tage, Wochen und Monate. Auf einmal war es Dezember. Wie üblich kommt am fünften Dezember der Nikolaus, aber auch der Krampus. Ich wusste, ich brauche mich nicht fürchten, mir kann nichts geschehen, weil sie mich alle sehr mochten. So feierlich hab ich das vor- und nachher nie mehr erlebt. Das war eine Gruppe um den Nikolaus, zwei Engel, zwölf Krampusse und ein Ruschele. Einige Nachbarn, die keine Kinder hatten, kamen zu uns, um der Feier beizuwohnen. So waren das zehn bis fünfzehn Menschen in der Stube. Ich saß ganz im Eck hinter dem großen Tisch. Rechts und links von mir saßen die Frauen, sodass mich kein Krampus erreichen konnte. Gespannt warteten wir, was kommen wird. Auf einmal ging die Tür auf und das Ruschele (ein buckliges Weiblein) kehrte mit einem abgestoßenen Birkenbesen den Boden bis zum Tisch, drehte sich um, lief hinaus und machte die Türe wieder zu. Minuten der Spannung, dann klopfte es an der Tür. Der Vater des Hauses machte die Tür auf und der Nikolaus trat in Begleitung zweier Engel ein und ging gerade auf mich zu.
Nach einigen beantworteten Fragen musste ich »Glaube, Hoffnung und Liebe« beten. Ich brachte es glücklich zu Ende, obwohl meine Augen zur Tür gerichtet waren: Die Krampusse hatten sich so aufgestellt, dass in der Tür vom Boden bis oben nichts als Krampusköpfe zu sehen war. Als der Nikolaus die Geschenke auf den Tisch gelegt hatte, ging er zwei Schritte zur Seite und wartete. Das war das Zeichen für die Krampusse, dass sie an der Reihe sind.

Der Rabe im Topf

Eine ständige Arbeit war das Pferdefutterschneiden. Das mussten Jakob und ich machen, und zwar mit der Häckselmaschine. Jakob musste die Maschine mit den Händen drehen und ich musste das Heu einlegen. An meiner Seite waren auch die Zahnräder und leider fehlte der Deckel.
So passierte es eines Tages, dass ich mit dem Zeigefinger zu nahekam, und mit einem Ruck war meine Hand bis über das Handgelenk zwischen den Rädern, und die Maschine stand still.
Ich schrie: »Dreh die Maschine zurück, damit ich die Hand herausbekomme!«
Die Handinnenfläche war schwarz von der Schmiere, aber der Handrücken war ein einziges zerquetschtes Stück. Der Arzt hat mich nur verbunden und gesagt, er kann da nichts machen, wir müssen ins Krankenhaus. So ging es am nächsten Tag nach Lienz. Vorerst hatte ich keine Schmerzen, weil alles tot war.
Gegen den Morgen fing es an, furchtbar wehzutun, und ich konnte es kaum erwarten, bis der Postbus abfährt. Ich wartete an der Haustür, bis meine Tante auch zur Abreise fertig ist. Da kommt mein Vater von der Arbeit nach Hause und sieht mich an.
Er sagt: »Weißt du, was du für ein Schaden für mich bist?«
Dann gab er mir auch noch den strengsten Auftrag: Sollte mich wer fragen, wer mir die Arbeit an dieser Maschine angeschafft hat, dann sollte ich sagen, ich hätte es unerlaubt getan. Diesen Auftrag hab ich nicht befolgt, sondern genau berichtet, wie es war. Mein Vater musste für zwei Tage ins Gefängnis. Auch deshalb, weil er sich geweigert hat, das Krankenhaus zu bezahlen.

Die Lana Bauern


Ich hatte endlich wieder Vater und Mutter. Es gab keine Schläge mehr, genug zu essen und wohl auch genug Arbeit. Noch hatte ich zwei Jahre Schule zu machen. Wie es auf dem Lande üblich war, gab es da nur eine Klasse für alle acht Schuljahre.
Ich hab ja noch nicht gesagt, wo ich jetzt bin: eine Bahnstation von Lienz in Richtung Pustertal, in »Thal-Assling«. Die Gemeinde Assling liegt am Berg oben. Es ist eine große Gemeinde, mit etlichen dazugehörigen Dörfern. Im Dorf Schrottendorf war meine Heimat.
Unser Haus stand erst zehn Jahre. Das alte Haus stand im Dorf auf einem ungünstigen Platz. Sämtliche Felder lagen fünfzehn Minuten entfernt. Da das Haus schon sehr alt war, hatte Vater ein neues bauen lassen, und zwar direkt in einem Feld.
Vater war Zimmermann und konnte sich sehr viel selber machen. Die Vorderseite des Hauses war das Wohnhaus und rückwärts waren Stall- und Futtergebäude. Vater war Kriegsinvalide und hatte ein Holzbein. Dadurch konnte er nicht jede Arbeit machen. Zum Beispiel konnte er nichts tragen. Leider war es so, dass alles vom Feld und auf das Feld getragen werden musste. Diese Arbeit blieb für Emma und mich. Das begann im Frühjahr und endete erst, wenn der erste Schnee fiel. Im Frühjahr musste der Mist in Körben auf das Feld getragen werden.
Im Sommer gab es für mich einiges zu lernen. Zuerst das Mähen, das machten wir zu dritt, uns voraus ging der Vater. Die Mutter durfte das Gras zum Trocknen ausbreiten. Dann war es so weit zur Heuernte. Das Heu mussten Emma und ich in die Scheune tragen.

Feuerröte über dem Klausenberg


Wir schauten in die Küche, in die Stube, in den Stall und in die Speisekammer. Nirgendwo war ein Feuer zu sehen, nur Rauch, sodass man kaum Luft bekommen konnte. Das Haus hatte eine vordere und eine hintere Haustür. Als Vater bei der rückwärtigen Tür hinausschaute, sah man den Feuerschein an der Vorderseite. Dann gingen wir zur vorderen Tür und mussten feststellen, dass im Futterhaus alles brannte.
Ich sagte noch zum Vater: »Da ist nichts mehr zu retten«, und lief schnell zurück in das Schlafzimmer.
Ich riss das Burgele aus dem Bett heraus, packte seine Kleider und ging hinunter in die Stube, da war noch nicht so viel Rauch, zog dem Burgele die Kleider an und brachte es zum Nachbarn.
Dann half ich noch, die Kühe zum Nachbarn zu treiben. Inzwischen war auch der Nachbarbauer zum Helfen gekommen.
Die zwei Schweine waren schon geschlachtet und lagen in der Speisekammer in der Beize. Um diese Wanne herauszutragen, hätte es mindestens vier Männer gebraucht. Wer sollte denn um vier Uhr früh schon in der Nähe sein? Ich lief die fünfzehn Minuten in das Dorf hinein, Hilfe holen. Heute weiß ich, dass dies sinnlos war, aber was macht man nicht alles in einem solchen Schock?
Als ich wieder zurückkam, waren von nah und fern eine Menge Leute da und konnten nur mehr zusehen, wie es brennt. In Assling – eine Gehstunde entfernt – sah eine Frau, die gerade in den Stall ging, um die Kühe zu füttern, über dem Klausenberg die Feuerröte. Sie lief schnell zum Kirchendiener, dass er Sturm läute. Sofort rückte die Feuerwehr aus. Man denke aber: Damals musste der Spritzwagen noch von Männern gezogen werden, eine halbe Stunde den Berg hinunter und dann wieder eine halbe Stunde den Berg hinauf.

Ende der Leseprobe

Anregende Lesestunden mit dem biografischen Zeitgeschichte-Roman „Dreifußtopf und Sonntagskleid“
wünscht
Edith Mair

 

Dreifußtopf und Sonntagskleid – biografischer Roman

Der Zeitgeschichte- und Familien-Roman eignet sich übrigens bestens als Geschenk!

 

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